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Der geistliche Tod: Roman

9781465667403
213 pages
Library of Alexandria
Overview
Abend war es, ein schöner, warmer Sommerabend. Über den Feldpfad, der vom Bahnhof in das Dorf führte, schritt ein junger Mann. Ein großer schwarzer Neufundländer folgte ihm auf dem Fuße. Der Ankömmling stand still, entblößte das Haupt und strich sich das feuchte Haar aus der Stirn. Dabei tat er einen tiefen Atemzug und ließ den Blick über das vor ihm liegende Dorf schweifen ... Das also war seine neue Heimat! Still und friedlich lag der Ort da, die Kirchtürme ragten zwischen den Häusern hervor und rings umher erhoben sich grüne Hügel und felsige oder bewaldete Berge. Die Glocken läuteten zum Abendgebet; in den Wiesen zirpten Grillen, aus den Laubwerken leuchteten Johanniskäfer auf und am Himmel zeigten sich die ersten Sterne. Das war seine neue Heimat! Ein Gefühl der Rührung, der Bangigkeit, fast der Liebe durchzog seine Brust; er wollte sich hier recht glücklich fühlen, sich recht innig schließen an diese schöne Natur und auch an die Menschen, falls sie sich dessen wert zeigen sollten. Von diesen Gedanken beseelt, setzte er seinen Weg fort; der Hund ging dicht hinter ihm. Sie kamen bei den ersten Häusern an. Meistens waren es einstöckige Häuser mit weiß getünchten Wänden und Schindeldächern, grün oder gelb angestrichenen Jalousien und Haustoren; viele hatten an der Gassenfronte einen Balkon und neben manchen lag Holz aufgespeichert; an einigen rankten sich wilder Wein und Efeu empor und auf den Veranden standen Blumentöpfe. Der Wanderer erreichte den Hauptplatz; in der Mitte des Platzes stand eine Säule und auf derselben ein heiliger Florian, der einen Kübel Wasser über ein brennendes Häuslein ausgoß. An den Häusern, in allen Ecken waren Heiligenbilder oder Heiligenstatuen angebracht; kein Wunder: lag doch das Dorf St. Jakob im Norden des glaubensstarken Landes Tirol.