Die Stadt am Inn: Roman
9781465683946
213 pages
Library of Alexandria
Overview
Schwere weißgraue Nebelwolken lagerten über dem Tal, hüllten die Berge ein in ihre dichten Schleier und drückten lastend auf das kleine romantische alte Städtchen im Unterinntal. Zu Füßen eines steilen Berges, eingeengt zwischen diesem und dem Flusse, liegt der alte Rest einer stolzen Vergangenheit. Düster selbst an sonnenhellen Tagen. Doppelt öde und bedrückend schwer an endlos langen Regentagen wie in letzter Zeit. Nichts rührte sich da in der alten Stadt. Kaum ein vereinzelter Fußgänger war zu sehen in den engen Gassen oder auf der breiteren Landstraße, die als Hauptstraße das Städtchen von West nach Ost durchzieht. Nicht ganz fünf Minuten erstreckt sie sich zwischen den altersgrauen Häusern, dann mündet sie in den Hauptplatz ein und führt durch ein altes Tor wieder zur Stadt hinaus, hinunter ins Unterland. Unaufhörlich fällt der Regen in schweren Tropfen vom grauen Spätherbsthimmel. Das eintönige Geräusch der Regentropfen wirkt traurig und melancholisch. Unlustig und kalt ist’s in den Gassen, trotz des lauen Windes, der vom Oberland kommend jäh in die dichten Wolken fährt, sie zerreißend und in zerstreuten Fetzen durch das Tal hetzend. Wie eine wilde Jagd sieht sich’s an. Kleine weiße Schleiergebilde und wieder dunkle schwere Wolkenballen, die sich abermals bleiern auf das Tal herniederwälzen. Und neuerdings umzieht sich der Himmel mit noch schwärzeren Wolken. Langsam und schwer senken sich die Nebelmassen tiefer und immer tiefer ins Tal und lösen sich dann in dünnen grauen Regenschleiern. So ist es nun schon seit Tagen. Endlos traurige Tage sind es. Wie ausgestorben liegt die kleine Stadt da. Nur ab und zu wagen sich ein paar lose Buben ins Freie und versuchen ihr Spiel im Schmutz und in den Pfützen, die sich überall angesammelt haben. Öfters steuert auch ein einsamer Bürger im gemächlichen Schritt, wohl beschirmt und vermummt gegen Wind und Wetter der Innbrücke zu und sieht mißtrauisch auf das unruhige Wasser. Ein dumpfer Geruch von mitgeführten Erdmassen steigt aus den braunen Fluten des Flusses. Lange wird’s nicht mehr dauern, und Rattenberg kann in ein Klein Venedig verwandelt werden, wie das bei Überschwemmungen des Inn schon häufig der Fall war. Völlig eingezwängt zwischen dem steil ansteigenden Schloßberg mit seiner verfallenen Ruine und dem breiten Flußbett des Inns ist das altertümliche Rattenberg. Zu dem breiten Hauptplatz streben die engen Gassen mit ihren hohen Häusern, die an der Bergseite vielfach ganz knapp an dem Felsen des Schloßberges liegen, auf der Wasserseite nur durch einen Weg vom Inn getrennt sind.