Jeremias: Eine dramatische Dichtung in neun Bildern
                                                            
                                    
                                            Stefan Zweig 
                                    
                                
                            9781465594907
                                213 pages
                            Library of Alexandria
                            
                            
                                
                         
                        
                                
Overview
                                Friedlich die Stadt, friedlich das Land, in mir nur dieser Brand, nur meine Brust ein Feuer! Oh, wie sie selig ruht in Gottes Arm, von Schlaf bebrütet, überdacht von Frieden, ein Tau von Mond auf jedem Haus und Schlummer, sachter Schlummer auf jedes Hauses Stirn. Nur ich, ich brenne Nacht um Nacht, stürz hin mit allen Türmen, fliehe Flucht, vergeh in Flammen, nur ich, nur ich, zerwühlt die Eingeweide, fahr taumelnd hoch vom heißen Bett zum Mond, daß er mich kühle! Nur mir sprengt Traum den Schlaf, nur mir frißt feurig Graun das Schwarze von den Lidern! Oh Marter dieses Bilds, oh Irrwitz von Gesichten, die trügerisch im Blut sich ballen und matt schmelzen dann im wachen Mond! Und immer gleich der Traum, gleich dieser Wahn, Nacht, Nacht und Nacht, der gleiche Schrecken sich im Fleische bäumend, der gleiche Traum zu gleicher Qual entbrennend! Wer tat dies in mein Blut, dies Gift der Träume, wer, wer jagt mich so mit Schrecknis? Wer hungert meines Schlafs, daß er ihn wegfrißt mir vom Leibe, wer quält, wer quälet mich? Mond, Nacht, Gestirn, ihr kalten Zeugen, wer, wer plaget mich, und wem, wem wache ich? Oh Antwort, Antwort! Wer bist du, Unsichtbares, das vom Dunkel zielt auf mich mit Pfeilen des Entsetzens, wer bist du, Schrecknis, die mich nachts beschläft, daß ich dein schwanger ward und mich hinkrümme in den Wehen? Warum dies Grauen mir, nur mir in dieser Stadt voll Schlummer und Entsinkens!