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Malmedy und die preußische Wallonie: Skizzen und Studien

9781465683656
213 pages
Library of Alexandria
Overview
Einige Jahre hindurch hatte ich die Verhältnisse in Elsaß Lothringen studiert und besonders dem Vordringen des Deutschtums in den französischen Sprachgegenden mein Augenmerk zugewandt. Es wurde nun der Wunsch in mir rege, auch eine andere Gegend kennen zu lernen, die, abgesehen von ihrer geringeren Ausdehnung, ähnliche Verhältnisse aufweist, nämlich die preußische Wallonie. Diese Bezeichnung mag manchem Leser wenig oder gar nicht bekannt sein. Thatsächlich ist aber ein bedeutender Teil des Kreises Malmedy wallonisch und die Stadt gleichen Namens ist der Hauptort der sogenannten preußischen Wallonie. Die Bewohner dieser seit 1815 zu Preußen gehörigen Gegend sprechen wallonisch und französisch, ein Teil beherrscht auch das Deutsche. Wenn Malmedy in den Zeitungen nicht oft genannt wird, so ist das sehr begreiflich: deutschfeindliche Umtriebe kommen dort nicht vor, und man hat auch zuviel mit den Polen im Osten und den Dänen im Norden zu thun, als daß man sich mit einer verhältnißmäßig geringen Zahl Wallonen im Westen des preußischen Staates beschäftigen sollte. Dann sind auch im Südwesten des Deutschen Reiches die Elsässer und Lothringer, mit denen sich die öffentliche Meinung noch oft genug zu befassen hat. Aber merkwürdig sind die Verhältnisse doch auch in Malmedy und der Umgegend; die wenigen Notizen, die es mir gelungen war, vor meiner Reise in jene Gegend darüber zu sammeln, gaben mir keinen Aufschluß über die Fragen, die mich besonders interessirten, und so führte ich den längst gefaßten Entschluß aus, an Ort und Stelle mich über die Verhältnisse zu erkundigen. Von Straßburg fuhr ich nach Luxemburg und von dort brachte ein gemüthlicher Bummelzug mich nach dem nördlichen Theile des Großherzogtums, dem Oesling. Die Gegend ist dort gebirgiger und rauher, als im Gutlande. Die letzte einigermaßen bedeutende Ortschaft auf großherzoglichem Boden ist Ulflingen, von den Luxemburgern Elwen genannt, während die französische Bezeichnung Trois Vierges lautet (von drei Nornen bezw. Jungfrauen, die in früherer Zeit dort verehrt wurden). Von dort hat man bald die Grenze überschritten, und man würde im Zuge den Uebergang gar nicht gemerkt haben, wenn nicht ein Grenzaufseher nach Branntwein gefragt hätte. An der luxemburgisch deutschen Grenze war nämlich damals noch für Branntwein eine Kontrole, weil Luxemburg, das bekanntlich zum deutschen Zollverein gehört, sich früher weigerte, die Branntweinsteuer auf gleiche Höhe zu bringen, wie in Deutschland. Dieses ist jetzt geschehen, so daß der Grenzkordon wegfallen konnte. Auch über die Grenze hinaus wird noch die Luxemburger Mundart gesprochen; die Gegend gehörte übrigens früher zum Luxemburger Lande. Die Zugverbindung war dort nicht gerade eine sehr glänzende, und so mußte ich mich schon entschließen, in St. Vith zu übernachten, weil der Nachmittags bezw. Abendzug nicht weiter fuhr. Jetzt sind die Zugverbindungen besser.