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Seltsame Käuze

9781465683373
213 pages
Library of Alexandria
Overview
Am Ende des Dorfes, an seiner schönsten Stelle, liegt die Wassermühle. Der Bach, der lustig über Stock und Stein sprang, dann durch die Felder eilte und im Dorfteiche seine Glieder ein Weilchen ausruhte, muß durch ein enges Bett, über Bretter hinweg und unter einem Schützen hindurch sich zwängen. Zischend und sprudelnd springt er hinunter auf ein großes Wasserrad, das sich ächzend dreht unter seinem Aufprall. Langsam und gleichmäßig dreht das große Rad an der Welle, die knirschende Mahlsteine und klappernde Schüttbretter bewegt. Das Sprudeln und Zischen, das Brummen und Stampfen, das Klappern und Klingeln, wenn ein Gang leer läuft, kurz all der dumpfe, eigenartige Mühlenlärm nimmt Tag und Nacht kein Ende. Doch die Leute in der Mühle vernehmen nichts davon, und auch der Spitz, der an der Kette wie rasend tobt, wenn ein fremder Schritt sich nähert, die Hühner auf dem Hofe und die Tauben, die sich gurrend auf dem Dache herumtreiben, sie alle sind gerade so an das Geräusch gewöhnt, wie die Mäuse und Ratten, die in dem alten Mühlgemäuer hausen und ihren Teil von Getreide, Schrot und Kleie nehmen, ohne um Erlaubnis zu fragen. Nur einer hat fortwährend über den Lärm und die Unruhe zu klagen, gerade wie er sich beschwert, wenn die Jahreszeiten sich ändern, oder heute, wenn es regnet, und morgen, wenn die Sonne scheint. Will man den Nörgler, den Griesgram besuchen, so muß man sich einige Schritte bachabwärts bemühen. Dort steht ein alter, hohler Kopfweidenbaum, der immer und immer hofft, einmal noch zum Blühen zu kommen, wenn auch zwanzigmal und öfter schon der habgierige Mensch ihm seine schlanken Zweige raubte. Unten dicht über dem Boden führt eine Öffnung in den hohlen Baum, durch die ein dicker Kater bequem durchschlüpfen könnte. Hier hat der Unzufriedene seine Wohnung. Aus dürrem Laub und trockenen Grashalmen ist ein sauberes, warmes Nest gebaut worden. Wollen doch einmal sehen, ob der Bewohner zu sprechen ist. Tastend fährt ein Stöckchen in den Laubhaufen, jetzt stößt es auf einen tierischen Körper, und zorniges Fauchen tönt uns entgegen.„Bangemachen gilt bei uns nicht, Freundchen!“ Weiter tastet der Stock und deutlich spüren wir ein kratziges, stachliges Etwas im Innern des Nestes. Der Insasse ist entschieden sehr ungehalten über unsern Eingriff, das Fauchen klingt ganz zornig, und jetzt wird gar der Stock weggestoßen. Wir brauchen nicht weiter zu forschen. Daß ein Igel im Baumstumpf steckt, haben wir ja längst erraten. Schnorrer, der dicke Kater, und Spitz, der unbestechliche Wächter, sie kennen ihn längst, den alten Igel Schnüffel, sie kennen alle seine Eigenheiten und wissen auch, wie es kam, daß der früher so gutmütige und zufriedene Igeljüngling zu einem alten, grilligen Einsiedler wurde.