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Die heimtückischen Champignons: und andere Geschichten

9781465676481
213 pages
Library of Alexandria
Overview
„Das Geld liegt auf der Straße, man braucht sich nur danach bücken, um es aufzuheben“, ist ein alter Satz, den ich des öfteren von smarten Geschäftsleuten äußern hörte, ohne daß es mir jedoch bis heute gelungen wäre, seine Stichhaltigkeit einwandfrei zu erproben. Um so mehr bin ich deshalb geneigt, die pessimistische Weltanschauung jener zu teilen, die auf den — allerdings apokryphen — Nachsatz schwören: „Wer sich bückt, um es aufzuheben, dem fällt die Brieftasche aus der Jacke.“ Als fanatischen Verfechter dieses hämischen Glaubensbekenntnisses lernte ich vor Jahren in Prag einen Agenten namens Dowidl Taubeles kennen; wenn ich nicht irre, war er nebenbei mosaischer Konfession, wenigstens konnte er mir — insbesondere solange ich mit ihm noch keine Geschäfte gemacht hatte — nicht oft genug im Sprudelton felsenfester Überzeugung versichern: „Ihnen gesagt, junger Mann, die Brieftasch’ fällt einem ’raus!“ Wahrscheinlich, um Widersprüche meinerseits im Keim zu ersticken, faßte er mich dabei jedesmal beim zweiten Rockknopf und versuchte, ihn abzudrehen, was jedoch mißlang, da ich den Knopf in weiser Voraussichtsolcher Fälle vom Schneider mit Blumendraht hatte annähen lassen. Begab es sich, daß Dowidl Taubeles Kenntnis erhielt, ich stünde im Begriff, mit andern Agenten in Verkehr zu treten, pflegte er mir seine Warnung sogar dreimal hintereinander, ohne Atem zwischen den Worten zu schöpfen, zu erteilen. Ohne Zweifel kannte er die magische Kraft, die derartigen seelischen Einhämmerungen innewohnt. Geraume Zeit hindurch war es mir gelungen, den Wackeren nicht mehr zu Gesicht zu bekommen, da ereignete es sich, daß er mich in einer einsamen schmalen Gasse, aus der ein Entrinnen unmöglich war, stellte. Besorgt griff er nach meinem Knopf: Gott sei Dank, ich hatte zum Glück den Blumendrahtrock an.