Title Thumbnail

Yussuf Khans Heirat

9781465671561
213 pages
Library of Alexandria
Overview
Held eines Romans, Held einer Folge von Abenteuern — klingt das nicht wie törichter Nonsens? Wer glaubt an Romane im wirklichen Leben, wer glaubt daran, daß es noch Abenteuer gibt? Die Abenteuer, sagte man im achtzehnten Jahrhundert, sind vor zweihundert Jahren ausgestorben. Zur Zeit der Renaissance,da gab es Abenteuer! Sie sprechen heute von Abenteuern, wiederholt man im neunzehnten Jahrhundert, ha ha! Sie entschuldigen schon ... Die Abenteuer sind mit Napoleon ausgestorben, dem leibhaftigen Abenteuer in Fleisch und Blut. Zu Napoleons Zeit gab es Abenteuer. Aber jetzt! Nein wirklich, Sie müssen schon entschuldigen. Herrn Allan Kraghs Zeit fiel in das zwanzigste Jahrhundert, das heißt jener Teil seines Lebens, den er wirklich so nennen konnte. Er war nämlich 1885 geboren; und wenn auch die ersten fünfzehn Jahre unseres Lebens später fast immer mit einem Seufzer zu den glücklichsten gerechnet werden, ist es zweifelhaft, ob sie während ihres Verlaufes auch in dieser Weise aufgefaßt werden. Höchst zweifelhaft. Ja, warum sollte man Haeckels berühmte These vom Leben des Individuums als Resumé des Lebens der Gattung nicht darauf anwenden können? Genau wie es für die meisten Menschen ein Glaubensartikel ist, daß alles Romantische sich zur Zeit Roms, zur Zeit der Renaissance, zur Zeit der Revolution zugetragen hat und auf jeden Falls jetzt, seit der eigene kleine Privatlebensbetrieb des Betreffenden begonnen hat, so ferne und tot ist, wie ein geologisches Zeitalter — genau in derselben Weise denkt man mit dreißig Jahren an die Zwanzig zurück (da war es noch eine Freude zu leben), mit Fünfzig an die Dreißig, und überhaupt die ganze Zeit, seit man lange Hosen oder Röcke zu tragen bekommen hat, an die unaussprechlich fröhliche, spannende, romantische Kindheit, die jetzt tot und begraben ist, und nie zu einem armen Teufel wiederkehrt, der in einem grauen, uninteressanten Alltagsleben verkümmern muß. Und dabei sind die ganze Zeit die Abenteuer da, für den, der sie zu finden weiß. Sie sind überall da, wie Sonnenschein und Regen, aber im Gegensatz zu diesen mehr oder weniger ungleichmäßig verteilt auf Gerechte und Ungerechte. Es gibt Individuen, in deren Leben die Abenteuer sich geradezu häufen, ohne daß sie eigentlich etwas dafür können, und es gibt andere, die in die Grube fahren, ohne daß ihnen ein Abenteuer begegnet ist. Wer weiß? Vielleicht begegnet es ihnen dort! Daß Allan Kragh Abenteuer erlebte, lag sowohl an ihm selbst wie an den Umständen, deren Verlauf wir in Kürze skizzieren wollen. Sein Dasein begann so uninteressant als nur möglich; denn was ist uninteressanter als ein junger Mann, dessen Leben im Alter von einundzwanzig Jahren schon Punkt für Punkt arrangiert vor ihm liegt, wie ein Konzertprogramm? Zuerst ein Einzugsmarsch: einige flotte Studienjahre; ein Walzer: eine bessere Verlobung; Stimmungsstück: die Ehe beginnt, und so weiter bis zum Schlußmarsch hinter dem Sarg. So sah es aus, als sollte Allan Kraghs Leben sich gestalten, und dann kam von dem ursprünglichen Programm eigentlich nur der Einzugsmarsch zur Ausführung.