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Der Krieg im Westen

9781465667892
213 pages
Library of Alexandria
Overview
Das besetzte Frankreich ist heute Friede und Sonne. Der Zug fliegt dahin, sorglos und leicht, als ob er Vergnügungsreisende an Bord habe, durch grüne Täler und blühende Landschaften. Er hat nichts Martialisches mehr an sich. Vor Monaten keuchte und klirrte er, wie ein schwerer Krieger, der in die Schlacht geht, er rasselte wie Panzer und tastete sich zornig vorwärts. Heute ist er ein gutmütiger europäischer D-Zug geworden, der unbekümmert seine Meilen abfährt. Fern ist der Krieg. Auf den Höhen der Ardennen liegt die Sonne, die Luft schmeichelt, die junge Saat leuchtet. Die Felder sind bestellt, säuberlich bunt wie ein Teppich. Nur da und dort liegt ein Acker grau und welk, vergessen und verödet, ungepflegt und stumpf, wie ein Mensch, der trauert. Man sieht ihn meilenweit! Was an Leuten zurückgeblieben ist und nicht vor dem Krieg entfloh, arbeitet in den Fluren. Es sind nur spärliche, dünne Trupps, die in der Sonne zerrinnen. Viele, die diese fruchtbare Erde gebar, sind fort, und viele kommen nicht wieder. Eine leise Beklommenheit liegt auf dem Lande. Halbwüchsige Burschen, Frauen und Greise streuen die Saat und verrichten heuer jene Arbeit, die sonst den Kräftigsten, Blühendsten und Erfahrensten zusteht. Hingegeben und ganz bei der Sache, voll heißer Wünsche, denn das Brot ist kostbar, schreiten sie durch die Äcker und schwingen den Arm, mit jener schönen und freien Geste, die ein Symbol des Friedens und der Wiedergeburt ist. Der Pflug ist hinter den Kanonen hergekommen und nahm seine Arbeit wieder auf. Die Schützengräben hier und da, wo der Krieg seine Zähne einschlug, sind längst zugeschüttet, Narben in der gemarterten Erde, und der Pflug geht darüber. Bald wird sich das Korn hier wiegen und das Land wird vergessen. Verbrannte Häuser und Dörfer, im hellen Schrecken verlodert, erwecken heute, in der Sonne, in der summenden heißen Luft, den Eindruck, als seien sie einem Schadenfeuer zum Opfer gefallen. Nicht anders sehen sie aus. Sie jammern und schreien nicht mehr wie im Herbst und Winter, wo sie ihre rauchgeschwärzten, verstümmelten Mauern in den Himmel streckten. Der Frühling deckt sie zu. Sie schweigen. Grün und Blüten verhüllen ihren Gram. Ein blühender Kirschbaum steht jung und schön, triumphierend inmitten der rauchgebeizten Trümmer einer Mühle, und Gras und Blumen sind dabei, die verbrannte Erde zurückzuerobern. Das Leben ist stärker als der Tod und der liebe Gott läßt sich nicht durch Granaten imponieren! Im November war ich im zerschossenen Longwy, alles war durchlöchert, zerschmettert, verbrannt – aber schon trieben die angekohlten Platanen des Kirchplatzes wieder starke grüne Knospen. Herden von Rindern weiden friedlich im Gras, dem Geschäft des Fressens hingegeben, und Väterchen hütet sie, das alte nämliche französische Väterchen, mit Holzschuhen, einem verwilderten grauen Bart, hager und mit entzündeten Augen, die flache Mütze auf dem kahlen Schädel. Weidende Pferde, Stuten mit ihren Füllen. Eine glückliche Schwangerschaft hat sie vor schwerem Dienst bewahrt.