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Ansiedlungen in den Urwäldern von Canada: Ein Wegweiser für Auswandrer nach Amerika von einer Emigrantin

9781465655424
281 pages
Library of Alexandria
Overview
Ich erhielt Ihren letzten lieben Brief nur wenige Stunden vor unsrer Abfahrt von Greenock. Da Sie den Wunsch äußern, eine ausführliche Beschreibung unsrer Reise von mir zu erhalten, so will ich meine Mittheilungen von der Zeit unsrer Einschiffung an beginnen, und so oft schreiben, als mich meine Neigung dazu treibt. Gewiß sollen Sie keinen Grund haben, über zu kurze Briefe von mir zu klagen, ich fürchte Sie werden dieselben nur zu lang finden. Nach manchem Aufschub, mancher fehlgeschlagnen Erwartung glückte es uns endlich, eine Gelegenheit zur Ueberfahrt in einer schnell segelnden Brig, dem Laurel von Greenock, zu finden; und günstige Winde tragen uns jetzt in reißendem Fluge über den atlantischen Ocean. Der Laurel ist kein regelmäßiges Passagier-Schiff, dies aber betrachte ich als einen Vortheil, denn was wir auf der einen Seite an Unterhaltung und Mannigfaltigkeit einbüßen, gewinnen wir auf der andern an Behaglichkeit. Die Kajüte ist recht hübsch aufgeputzt und ich erfreue mich des Genusses, (denn ein solcher ist es in der That, in Vergleich zu den schmalen Sitzen der Staats-Kajüte) eines hübschen Sophas mit rothem Ueberzug, in der großen Kajüte. Die Staats-Kajüte steht uns auch offen. Wir zahlten für unsre Ueberfahrt nach Montreal jedes funfzehn Pfund, allerdings ein ziemlich hoher Preis, der aber jede andre Ausgabe in sich einschließt; und übrigens hatten wir keine Wahl. Das einzige nach Canada bestimmte Fahrzeug auf dem Flusse war mit Auswandrern, vorzüglich Holländern aus der niedrigen Klasse, buchstäblich überfüllt. Die einzigen Passagiere in dem Laurel, außer uns, sind der Neffe des Capitains, ein hübscher blondhaariger Bursche von ungefähr funfzehn Jahren, der die Unkosten für seine Ueberfahrt abarbeitet; und ein junger Herr, der nach Quebek reist, wo er in einem Handlungshause eine Anstellung als Commis erhalten hat. Derselbe scheint zu sehr mit seinen Angelegenheiten beschäftigt, um sehr mittheilend gegen andre zu sein; er spaziert viel umher, spricht wenig und liest noch weniger; unterhält sich aber oft mit Singen, wenn er das Deck auf- und abschreitet, seine Lieblingslieder sind, »O Heimath, süße Heimath!« u. s. w.; und jener treffliche Gesang, »Schöne Insel« u. s. w. gewiß eine süße Weise, und ich kann mir den Zauber, welchen sie für ein am Heimweh leidendes Herz hat, leicht vorstellen. Die Scenerei des Clyde (Fluß) gefiel mir ausnehmend; der Tag, an welchem wir die Anker lichteten, war heiter und angenehm, und ich blieb bis spät Abends auf dem Deck. Das Morgenlicht begrüßte unser Schiff, als es mit einem günstigen Winde von Lande her stattlich durch den Nordcanal hinsteuerte; an diesem Tage sahen wir die letzte der Hebriden, und vor Eintritt der Nacht verloren wir die nördliche Küste von Irland aus den Augen. Eine weite Wasserfläche und über uns der Himmel sind jetzt unser einziger Anblick, durch nichts unterbrochen, als wenn sich in weiter Ferne am Saume des Horizonts die kaum zu unterscheidenden Umrisse eines Fahrzeugs zeigen, — ein Fleck in dem unermeßlichen Raume, — oder dann und wann einige Seevögel vorübergleiten.