Reife Früchte vom Bierbaum
9781465647467
201 pages
Library of Alexandria
Overview
erblickte das Licht dieser Welt am 28. Juni 1865 zu Grüneberg in Niederschlesien als der Sohn eines eingeborenen Konditors und einer sächsischen Bergmannstochter. In der väterlichen Familie waren zwei Berufszweige erblich: Ein süßer: die Zuckerbäckerei, und ein saurer: die protestantische Theologie. Otto Julius hatte aber wohl einen besonders starken Gemütseinschlag von der mütterlichen Familie her (in der einmal, zur Zeit Napoleons ein französischer Tambour eine Gastrolle gegeben haben soll), und so fand in ihm weder die süße noch die saure Familientradition ihre Fortsetzung. Doch blieb ihm Zeit seines Lebens von Abstammung wegen ein ausgesprochener Sinn für bessere Kuchen und Edelmetalle im Blute, ohne daß er ihn indessen immer befriedigen könnte. Dieses Unvermögen kommt aber eben daher, weil er, statt das Süße oder das Saure oder sonst was Ordentliches zu lernen, sich von Jugend auf dem Laster des Versemachens und Fabulierens hingegeben hat. Was hat er davon? –: Ein immer zweifelhaftes Budget und die Ungnade des Literaturaufsehers Bartels in Sulza bei Weimar. Dieses hindert ihn aber nicht daran, mit trotziger Hartnäckigkeit weiter zu schreiben und zwar ohne alle weise Beschränkung auf ein bestimmtesFach der Dichtkunst. Nicht allein, daß er Gedichte jeder Art und Unart sowie Novellen, Romane, Operntexte, Dramen, Balletts, Reisebeschreibungen, Märchen von sich gibt; er schreibt auch noch allerhand Aufsätze über allerhand Menschen, Dinge und Ideen. Dies ist ein so grober Verstoß gegen das moderne Gesetz von der Teilung der Arbeit, daß man nicht energisch genug dagegen Front machen kann. Warum, so fragen wir mit Nachdruck, hat sich O. J. B. nicht damit begnügt, den »Lustigen Ehemann« zu verfassen? Wie klar und hold umrissen stünde dann sein Bild im Herzen der dankbaren Mitwelt. Daß er auch noch Zeitschriften gründete, mag ihm verziehen werden, weil sie (Pan und Insel) eingegangen sind, und weil es sich schließlich, Gott sei Lob und Dank, doch herausgestellt hat, daß die aufregenden Nachrichten über seine schmachvoll hohen Redaktionsgehälter nur die Phantasiegebilde einiger erfindungsreichen Köpfe waren. Auch seine längere Reise im Automobil hat ihren Stachel verloren, seitdem man weiß, daß sie nicht auf eigene Kosten unternommen worden ist. Über seine Mitschuld am Überbrettl gehen die Meinungen auseinander. Einige Passagen im »Stilpe« belasten ihn zwar schwer, aber das Programm seines Trianon-Theaters wird immer als besinnungslos rein lyrisches Entlastungsdokument angeführt werden können. Ob O. J. B. harmlos ist, muß dahin gestellt bleiben; da er es sich nicht abgewöhnen zu können scheint, über gewisse Charaktereigentümlichkeiten erbost zu werden, als da sind: Neid, Lügenhaftigkeit, Undankbarkeit, Tratsch- und Verleumdungssucht und aufgeblasener Dummstolz, so muß er doch wohl einige Bosheit im Leibe haben, und die christliche Demut, die, nicht zufrieden, links geohrfeigt zu werden, auch die rechte Wange hinhält, fehlt ihm ganz und gar. Da er lieben kann, kann er auch hassen, und wie die platonische Liebe, so ist auch der platonische Haß nicht seiner Art gemäß. Es scheint, daß er einige Laster hat. Der Trunk gehört nicht dazu. Auch nicht der Geiz und die Faulheit. Aber es könnte sein, daß man Momente von Stolz, Wollüstigkeit, Rachsucht in seinem Leben fände. Item: vom Heiligen ist er entfernt. Hunde, Katzen, Blumen; Horaz, Shakespeare, Goethe; Glück, das »wohltemperierte Klavier«, Mozart,archaische Skulpturen, alte italienische Maler, moderne Impressionisten; Büttenpapier, Seide und Ceylontee liebt er sehr. Für die größten unter den modernen Dichtern gelten ihm Dostojewski und Nietzsche. – Th. Th. Heine ist ihm lieber als Max Klinger. – Alte Stile sind ihm erfreulicher als moderne. Und er ist überhaupt revidiert unmodern.