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Pastor Hallin

Gustaf af Geijerstam

9781465640116
301 pages
Library of Alexandria
Overview
Eine kleine Studentenbude in Upsala. Ein trübes Morgenlicht fällt durch das einzige Fenster und scheint auf ein ungemachtes Schlafsofa und einen ganz mit Büchern und Papieren übersäten schmalen Schreibtisch. Die Lampe brennt; ihr Schein wird matter und matter vor der zunehmenden Tageshelle. Den Schlafrock eng um sich gezogen sitzt im Schaukelstuhl neben dem Schreibtisch ein junger Mann und liest eifrig. In seiner schmalen weißen Hand hält er ein Kollegheft; sein von einem kurzen, weichen Bart bedecktes Gesicht beugt sich über die beschriebenen Blätter. Während er liest, bewegen sich lautlos und hastig seine Lippen. Er sieht nicht, daß das Tageslicht draußen die Lampe längst unnötig macht, trotzdem die Sonne nicht durch das dichte Gewölk dringt. Es ist fast hell in der Stube, so hell es Mitte Januar überhaupt werden kann. Aber er sieht es nicht. Nachdem er eine Zeitlang gelesen hat, steht er auf und geht ein paar Schritte durchs Zimmer. Er dehnt die Brust, tut ein paar tiefe Atemzüge und trocknet sich mit dem Taschentuch den Schweiß ab, der seine Stirn bedeckt. Aber er sieht nicht, daß es draußen hell ist, sondern setzt sich still wieder an die Arbeit, indem er den Schaukelstuhl so nach der Lampe zu dreht, daß er beim Lesen gut sieht. Ein Beobachter hätte in seinem Gesicht vergeblich nach wirklichem Interesse gesucht. Es lag darin derselbe Ausdruck wie bei einem überanstrengten Schuljungen, der gerade eine schwere Aufgabe lernt. Er legte das Buch aufs Knie, murmelte das, was er sich soeben eingeprägt hatte, auswendig vor sich hin, und fing dann an, laut herzusagen, während er mit der freien Hand auf dem Arm des Schaukelstuhls den Takt dazu schlug. Dann saß er wieder still und lernte mechanisch, bis die Uhr, die neben ihm auf dem Schreibtisch lag, auf Neun wies. Da erhob er sich, schaute zum Fenster hinaus, und als er wieder ins Zimmer blickte, merkte er plötzlich, wie unnatürlich bleich das Petroleumlicht dem Tageslicht gegenüber war. Er schraubte die Lampe herunter, löschte sie aus und begann mit dem Kollegheft in der Hand im Zimmer auf und ab zu gehen.