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Der Sohn

9781465639523
188 pages
Library of Alexandria
Overview
Das Zimmer des Sohnes im elterlichen Hause. In der Mittelwand ein großes Fenster mit Ausblick in den Park, fern die Silhouette der Stadt: Häuser, ein Fabrikschornstein. Im Zimmer die mäßige Eleganz eines angesehenen Bürgerhauses. Möbel in Eichenholz; die Ausstattung eines Studierzimmers: Bücherschränke, Arbeitstisch, Stühle, Landkarte. Tür rechts und links. Die Stunde vor der Dämmerung. Der Sohn. Der Hauslehrer. Der Sohn: Ich bin zwanzig Jahre alt und könnte am Theater sein oder in Johannisburg Viadukte bauen. Weshalb muß es an der Formel für den abgestumpften Kegel scheitern! Alle Professoren waren mir gewogen, sogar der Direktor sagte mir vor. Ich hätte die Aufgabe glänzend gelöst — wäre ich nicht im letzten Augenblick geflohn. Ich glaube, es gibt etwas, das zwingt uns zum Schmerz. Ich hätte die Freiheit nicht ertragen. Vielleicht werde ich niemals ein Held. Der Hauslehrer: Sie haben also die Matura nicht bestanden. Wie oft habe ich mit Ihnen hier an diesem Tische gesessen und mit Ihnen die Formeln gepaukt. Habe ich Ihnen denn nicht erklärt, daß man den kleinen vom großen Kegel subtrahiert! Antworten Sie! Der Sohn: Ja, Herr Doktor. Sie haben es mir erklärt. Ich verstehe Ihren Schmerz. Sie sind traurig, weil dieser Kegel in der Welt ist. Glauben Sie mir, ich bin es nicht mehr! Mir fehlt sogar die vergängliche Pose, die sich noch unter Tränen verhöhnt. Sie werden sagen, ich sei ein Schwächling oder ein Schurke. Aber ich sage Ihnen: ich stand im schwarzen Rock vor der schwarzen Tafel — und wußte genau, daß ich die Kreide in der Hand hatte. Ich wußte sogar, daß man den kleinen vom großen Kegel subtrahiert und trotzdem — ich habe es nicht getan.