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Die Kammerjungfer

Eine Stadtgeschichte

9781465636461
100 pages
Library of Alexandria
Overview
Es bleibt dabei, ich vermiethe mich! sagte Klärchen zu ihrer Mutter. Eine Schneiderin führt ein trauriges Leben, ein Tag geht so grau und einförmig hin wie der andere, keinen vernünftigen Menschen kriegt man zu sehen, sitzen muß man vom Morgen bis zum Abend, und sitzen bleiben und eine alte Jungfer werden ist das Ende vom Liede.
 Du weißt selbst nicht was Du willst, sagte ihre Mutter. Weißt Du noch, was Du sagtest vorigen Martinstag, wie Tante Rieke Dir den Rath gab, Du solltest in einen Dienst gehen? Da hast Du von Sklaverei gesprochen und die Nase gerümpft, und ich war's auch zufrieden: es wäre doch eine Sünde und Schande, wenn eine alte Frau allein wohnen müßte ohne Hülfe und Pflege. Aber ich sage: Du weißt nicht was du willst. Kannst Du's besser haben, wie Du's jetzt hast? Bist Dein eigner Herr, kannst thun was Du willst, und brauchst Dich nicht von fremden Leuten traktiren zu lassen. Ach, wenn ich an meine Jugend denke! Ja, ja, Deine Jugend kenne ich, fiel ihr Klärchen schnippisch in das Wort; so dumm wie Du werde ich nicht sein, Du hättest den Rechtsgelehrten nur festhalten sollen. Tante Rieke sagte vorgestern sehr salbungsvoll, wie Deine Schönheit Dein Unglück gewesen; da hätte sie nur aufrichtig sagen sollen: Dein Ungeschick. Ich sage Dir aber, meine Schönheit soll glücklicher sein. – Hierbei lachte sie, hüpfte an den Spiegel und ordnete noch einmal zum Ueberfluß ihren Sonntagsstaat. So gottvergessen wie Du habe ich nie geredet, entgegnete die Mutter, und das Unglück ist doch über mich gekommen, ich weiß nicht wie. Das ist's eben, fiel ihr Klärchen wieder in die Rede: Du weißt nicht wie. Gerade das nicht Wissen das ist der Fehler, ich werde aber wissen! Und nun um alles in der Welt, höre auf zu jammern. Heute ist Sonntag. Ursach dazu hast Du nicht, und ich sehe nicht ein, warum ich zuhören sollte. Mir steht die ganze Welt offen, und die Welt ist schön, wunderschön! Ich vermiethe mich, oder ich vermiethe mich nicht, es muß immer gehen. Für jetzt ziehe ich zur alten Frau Generalin, da habe ichs gut, und Geld im Ueberfluß.